Donnerstag, 31. Oktober 2013

Karen Thompson Walker - "Ein Jahr voller Wunder"

























Ganz ohne Vorwarnung beginnt die Erde, sich immer langsamer zu drehen. Tag für Tag ist es länger hell und ganz schleichend wird den Menschen bewusst, welche Folgen das haben wird. Julia ist zu dieser Zeit noch ein Kind, fast 12 Jahre alt und mit ganz anderen Sorgen beschäftigt. Dass sich die Welt um sie herum nun vollkommen verändern wird, merkt sie aber zu allererst an den Menschen, die sie direkt um sich hat und jeder stellt sich ein wenig die Frage, was nun wirklich wichtig ist.






"Ein Jahr voller Wunder" ... das klingt nach einem Buch voller Hoffnung und wundersamer Begegnungen. Mit den Menschen scheint es zu Ende zu gehen und sie entdecken ganz neu, was wirklich wichtig ist. Oder nicht? Zumindest habe ich das erwartet, aber eigentlich ist die Geschichte ziemlich frei von Wundern oder wundersamen Wendungen. Ganz im Gegenteil: Das eventuelle Ende der Welt wird so dargestellt, wie es wirklichkeitsgetreuer für mich kaum sein könnte. Und gleichzeitig doch so gefühlvoll, dass ich die Geschichte schon bald als Tatsachenbericht hingenommen habe (ja, ok ... fast jedenfalls).

Die Geschichte wird aus Julias Sicht erzählt, die zum Zeitpunkt der einsetzenden Verlangsamung fast 12 Jahre alt war. Sicht- und Erzählweise sind aber alles andere als kindlich, denn es ist eine viel ältere Julia, die von der Zeit damals in einer Art Rückblick berichtet. Es ist ein interessanter Altersmix, der vielleicht auch ein wenig den besonderen Reiz der Geschichte ausmacht. Im Grunde wird ein Teil ihrer Kindheit erzählt, mit all den schwierigen Beziehungen, die das Alter so mit sich bringt. Die Erdverlangsamung gibt dem Ganzen aber einen besonderen Rahmen, der die Geschichte absolut einzigartig macht und ihr auch immer wieder ganz besondere Aufhänger gibt.

Gleichzeitig wird aber auch erzählt, wie sich der drohende Weltuntergang auf die Menschen auswirkt. Die Erde dreht sich immer langsamer und irgendwann dauern einzelne Tageslichtphasen 48 Stunden und länger. Die schleichende Bedrohung versetzt die Menschen aber nur phasenweise in Panik. Es herrscht ständig eine untergründige Unsicherheit und doch muss das Leben vorerst irgendwie weitergehen. Denn niemand weiß, wo das alles hinführt und so versuchen alle sich bestmöglich anzupassen. 

Es herrscht durchweg eine seltsame Stimmung, die sich aus dem Fortsetzen des Lebens und dem gleichzeitigen Zerfall der Umgebung zusammensetzt. Wunder wären für mich geschehen, wenn die Menschen dadurch mehr zusammengerückt wären oder Ähnliches. Aber nichts derartiges geschieht. Ich weiß bis zum Ende nicht, wo die angepriesenen Wunder versteckt sein sollten, aber mal abgesehen von dem Titelmanko habe ich das Buch sehr genossen. Der klare Schreibstil der Autorin versteht es auf eine ganz eigene Weise, den Leser zu berühren und vielleicht ist ja gerade das ein kleines Wunder. 



Verlag: btb
Seiten: 320
ISBN: 978-3342753635
Preis: 19,99 € (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 13. Mai 2013
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Samstag, 26. Oktober 2013

Lola Renn - "Drei Songs später"























Zeta ist schlecht in der Schule und möchte deshalb gerne auf eine andere wechseln, die mehr ihren Interessen entspricht. Statt Mathematik und Physik sollen mehr Tanz und Kunst auf dem Lehrplan stehen. Ihre Eltern sehen das jedoch anders und vor allem ihr Vater, den sie fast nur wütend antrifft, verweigert ihr den Wechsel, den sogar ihre Leherer empfehlen. Er will sie in eine Form pressen, in die sie nicht passt und ihr eigenes Wohlbefinden gerät dabei mehr und mehr in Gefahr.






Manchmal findet man die Bücher, die einen ganz besonders berühren da, wo man sie nicht erwartet hätte. So ging es mir bei "Drei Songs später". Ich erwartete nach dem Klappentext eigentlich ein Buch, das sich um ein leicht überhebliches Mädchen mit völlig abgehobenen Vorstellungen handelt. Ein Mädchen, das unbedingt Primaballerina werden will, egal was alle anderen sagen. Was ich bekommen habe, war aber ein Familiendrama mit einem Mädchen, das zwar Träume hat, aber durchaus realistisch denkt und dessen Probleme viel schlimmer sind, als erwartet. Sehr schnell habe ich sie ins Herz geschlossen und mich mit ihr verbündet - ja, auf gerade einmal 160 Seiten ist sowas scheinbar durchaus möglich.

Zu Beginn des Buches hatte ich kurz schwierigkeiten mich in den Schreibstil reinzufinden. Die Sätze sind kurz und prägnant und die einzelnen Kapitel ebenfalls. Kurze, knackige Episoden zeigen verschiedene Einblicke in Zetas Leben, aber vorerst vollkommen urteilsfrei. Zeta erwähnt einige Dinge, die als Außenstehender seltsam erscheinen, von ihr aber heruntergespielt werden. Erst nach und nach ahnt man immer mehr, was bei ihr los ist. Es geht nicht darum, dass sie unbedingt auf eine Tanzschule will, weil sie verträumt ist, sondern weil es wirklich besser für sie wäre. Ihr häusliches Umfeld ist aber nicht das Beste und ihr bleibt der Wechsel verweigert. Schritt für Schritt merkt man, dass es nicht der einzige Makel zu Hause ist. 

Die Geschichte zeigt gut, wie leicht junge Menschen zu beeinflussen sind, wie lange sie an der Familie festhalten und dinge Abmildern, die eher weniger schön sind. Man erlebt als Leser quasi aus erster Hand mit, wie schwer es manchmal ist, Richtig von Falsch zu unterscheiden. Der kurzatmige Schreibstil trägt dazu bei, dass man sich zwischendurch immer wieder selbst Gedanken macht und Dinge zusammenreimt. Es wirkt, als würde Zeta etwas verschweigen und im Grunde tut sie ja auch genau das. Selten habe ich in einer so kurzen Geschichte gleich so mit der Protagonistin mitgefühlt wie hier und ich wünsche dem Buch wirklich, dass es noch ganz viele Leser findet!


Verlag: Bloomoon
Seiten: 160
ISBN: 978-3760799131
Preis: 12,99 € (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 5. Februar 2013
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Mittwoch, 23. Oktober 2013

Mara Andeck - "Wen küss ich und wenn ja, wie viele?"


























Lilia ist gerade 16 Jahre alt geworden und hatte nicht einmal eine richtige Party. Irgendwie ist ihr Leben lahm und einen Kuss hat sie auch noch nicht bekommen. Also beschließt sie, von nun an ihr Leben aufzupeppen und ihren Schwarm für sich zu gewinnen. Dass sie in Bio gerade das Balzverhalten durchnehmen kommt ihr da gerade gelegen, denn was in der Tierwelt funktioniert, kann man sicher auch auf das menschliche Verhalten übertragen, oder nicht?







Eigentlich bin ich ja eher nicht so der Leser von Jugendliebe-Romanen (wohl auch altersbedingt *g*), daher hatte ich mir dieses Buch auch nur ausgeliehen und bin auch ohne große Erwartungen rangegangen. Anfangs erinnerte mich der Tagebuch-Schreibstil noch sehr an Bridget Jones und nach wenigen Seiten dachte ich, dass es wohl wirklich nichts für mich ist. Nach dem "normalen" Einstieg mit allen Jugendsorgen kommt dann aber der Umschwung, als Lilia sich in der Schule mit dem Balzverhalten von Tieren beschäftigen muss. Von nun an überträgt sie das neue Wissen kurzerhand auf ihr eigenes Liebesleben - oder besser gesagt das Liebesleben, das sie sich wünscht. Dieser Vergleich mit der Tierwelt macht "Wen küss ich und wenn ja, wie viele?" zu einem einzigartigen Lesevergnügen, bei dem man sogar noch etwas dazulernen kann. Ich habe mich bei Lilias Selbstversuchen jedenfalls köstlich amüsiert.

Das Buch bietet locker leichte Unterhaltung und ist in einem witzigen Stil geschrieben. Zwar konnte ich sehr viele Sachen schon vorausahnen, aber dank der Unterhaltung drum herum machte es trotzdem noch Spaß, zu lesen, wie die Protagonisten dahinterkommen. Besonders süß fand ich das ganze Hin und Her, wie jeder versucht, den anderen eifersüchtig zu machen. Eigentlich ist das der Punkt, wo ich in einem Buch aussteige, aber hier ist es einfach so witzig umgesetzt, dass ich am Ball blieb.

Die einzelnen Charaktere sind dabei wunderbar skizziert, sodass man sich gut in die Geschichte hineinversetzen kann und keine Figur künstlich erfunden wirkt. Gerade da es vor Klischees eigentlich wimmelt, ist es durchaus eine Herausforderung, die von der Autorin mit Bravour gemeistert wurde. Ich kann "Wen küss ich und wenn ja, wie viele" uneingeschränkt an alle jungen Mädels weiterempfehlen, die gerne witzige Liebesgeschichten lesen. Aber auch so mancher junge gebliebene Erwachsene kann hier eine unterhaltsame, locker leichte Lektüre für zwischendurch finden.


Verlag: Boje
Seiten: 240
ISBN: 978-3414823502
Preis: 12,99€ (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 11. Januar 2013
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Dienstag, 22. Oktober 2013

Jürgen Seidel - "Das Paradies der Täter"


























In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wird Südamerika gleichermaßen zum Fluchtpunkt für Nazis und Juden. Auch die Familie von Tom zieht nach Argentinien, um die Taten seines Vaters in Deutschland zu verwischen. Am Collegio Friedrich trifft Tom aber nicht nur auf andere Kinder von Nazis, sondern auch auf jüdische Kinder, die hier alle zusammen unterrichtet werden. Tom schämt sich für seinen Vater, auch wenn er nicht genau weiß, was dieser getan hat und stellt sich auf die Seite der Juden. Er lügt, dass sich die Balken biegen, verschweigt seine Herkunft und verstrickt sich immer mehr in sein Lügennetz, um die jüdische Walli zu beeindrucken.






Ich stehe diesem Buch sehr zwiegespalten gegenüber. Einerseits fand ich den Aufhänger überaus interessant. Die Tatsache, dass Kinder von Nazis und jüdische Kinder zusammen an einer Schule unterrichtet werden, dass beide Gruppen quasi Tür an Tür im fernen Argentinien leben, bietet viel Konfliktmaterial und vor allem auch eine Sicht, die ich so noch nicht gelesen habe. Andererseits muss ich sagen, dass mich das Buch irgendwie einfach überfordert hat. Anfangs dachte ich, es liegt an meiner aktuellen Lesestimmung, legte es zur Seite und fing es später nochmal an. Aber es half nichts, ich fand mich einfach nicht rein und kämpfte mich nur Stück für Stück durch. Obwohl es ein Jugendbuch sein soll, fühlte ich mich, als würde ich mich durch einen russischen Klassiker kämpfen.

Für jeden Germanisten ist "Das Paradies der Täter" sicher ein Hochgenuss. Der Autor beherrscht die deutsche Grammatik bis ins letzte Detail und zeigt dies auch. Ich habe noch nie so viele Konjunktive auf einem Haufen gelesen. Grammatikalisch mag das richtig sein, für den Lesefluss ist es aber doch leicht hinderlich. Statt Szenen direkt zu beschreiben, werden sie aus Toms Sicht erzählt und so muss man manchmal dreimal um die Ecke denken, um zu verfolgen, wer denn nun gerade am Zug ist. Plötzliche Zeitsprünge taten dann ihr Übriges zur Verwirrung.

Die Figuren sind zahlreich. Tom ist gut beschrieben und ich hatte ihn immer vor Augen. Alle anderen blieben aber doch eher blass und es ist wohl der Anzahl der Personen geschuldet, dass ich irgendwann den Überblick verlor. Und wenn man erstmal die Personen durcheinander wirft, wird die Story bald verwirrend und die Zusammenhänge gehen flöten. Ich verlor den roten Faden, sofern es denn einen gibt, und wusste bald schon nicht mehr, worauf die Geschichte denn nun hinaus will. Die einzelnen Ereignisse sind dabei durchaus interessant, teils schockierend und auch spannend, aber das große Ganze verlor sich irgendwie.

Für mich ist "Das Paradies der Täter" kein Jugendbuch. Zwar ist die Hauptfigur Tom ein Jugendlicher der 50er Jahre, aber der Handlungsbogen, die Zahl der Personen und nicht zuletzt der anspruchsvolle Schreibstil machen das Buch zu schwerer Kost. Die Sprache ist kunstvoll und korrekt und für jeden Sprachliebhaber ist das Buch sicher ein Genuss. Für mich präsentierte sich der Roman dadurch aber ziemlich sperrig und war trotz des guten Themas schwer zu bewältigen.



Verlag: cbj
Seiten: 400
ISBN: 978-3570155776
Preis: 16,99 € (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 18. März 2013
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Dienstag, 15. Oktober 2013

Stefanie de Velasco - "Tigermilch"

























Zwei Berliner Mädchen, gerade einmal 14 Jahre jung, testen aus, wie das Leben funktioniert, und überschreiten dabei so manche Grenze. Sie wollen Leben und vor allem etwas Erleben. Sie wollen ihre Jungfräulichkeit noch diesen Sommer verlieren und sie testen alle Grenzen aus. Sie mixen Maracujasaft, Milch und eine gehörige Portion Mariacron zu ihrer eigens erfundenen "Tigermilch" zusammen und lassen ihr Leben im Halbrausch vorbeibrausen. Vielleicht ist es ja nur so erträglich?






Mein erster Gedanke nach diesem Buch war "Uff ...". Hier wird nichts verherrlicht und nichts kaschiert. Die Ereignisse und Beschreibungen stürmen auf den Leser ungefiltert ein, eben so, wie sie die Protagonisten erleben. Da wird gesoffen, geraucht, auf den Strich gegangen ... und ja, die Protagonisten sind erst vierzehn! Daher fand ich das Buch zum Großteil schockierend, teilweise interessant und manchmal auch abschreckend. Und auch wenn ich den Schreibstil recht gewöhnungsbedürftig fand, würde ich das Buch dennoch weiterempfehlen.

Der Einstieg fiel mir gerade wegen des Schreibstils recht schwer. Die Autorin macht genau das, was ich in Büchern gar nicht leiden kann: Sie verzichtet auf eine Kennzeichnung der wörtlichen Rede. Ich werde wohl nie begreifen, wozu dieses "Stilmittel" gut sein soll. Ich für meinen Teil finde es einfach nur äußerst nervig, wenn ich alles mit dreifacher Aufmerksamkeit lesen muss, um bei einem längeren Gespräch den Durchblick zu behalten, wer denn nun spricht, statt mich einfach auf den Inhalt einlassen zu können. Auch Satzbau und Erzählweise sind anfangs etwas seltsam, wenn man aber weiter liest, merkt man, dass es zum Buch und vor allem zur Protagonistin passt. 

Inhaltlich empfand ich "Tigermilch" als schwere Kost. Nini, gerade einmal 14 Jahre alt, und ihre beste Freundin Jameelah besaufen sich ständig mit ihrer Tigermilch, stehlen, rauchen und gehen sogar auf den Strich - nur so zum Spaß und um schonmal zu üben! Gerade Letzteres empfand ich als äußerst merkwürdig, da auch an keiner Stelle wirklich erklärt wird, was sie dazu treibt. Ich meine, üben kann man doch auch an ... ehm ... Gleichaltrigen? Muss man sich dafür an der Kurfürsten prostituieren? Ok, die beiden Mädchen haben ihre eigene Sicht der Dinge und sind meist eh nicht nüchtern, aber ein bisschen Stolz sollte doch jedes Mädchen haben!

Auch scheint nichts von dem, was die beiden tun, Konsequenzen zu haben und die Familienverhältnisse werden vor allem bei Nini eher sporadisch beschrieben und man muss sich als Leser vieles hinzudichten. Das fand ich etwas schade. Man erfährt leider nicht, woher diese selbstzerstörerische Ader kommt und das Bedürfnis, jemandem dafür die Schuld in die Schuhe schieben zu können, bleibt unbefriedigt. Vieles muss man zwischen den Zeilen lesen und dann fällt auch auf, wie verletzlich die Mädchen doch trotz allem sind. Aber ein paar deutlichere Einblicke in die Hintergründe wären wünschenswert gewesen.



Verlag: KiWi
Seiten: 288
ISBN: 978-3462045734
Preis: 16,99 € (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 15. August 2013

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Sonntag, 13. Oktober 2013

Benjamin Constable - "Die drei Leben der Tomomi Ishikawa"
























Ben Constable erhält eines Tages einen Brief von seiner guten Freundin Tomomi Ishikawa. Es ist nicht irgendein Brief, sondern ein Abschiedsbrief, in dem Tomomi ihren Selbstmord verkündet und gleichzeitig Ben auf eine unglaubliche Schnitzeljagd schickt. Stück für Stück puzzelt er nun einzelne Situationen aus Tomomis Leben zusammen, entdeckt Seiten an ihr, die er nie für möglich gehalten hat, und reist sogar nach New York, um dort auch die letzten Rätsel aufzudecken. Immer im Hinterkopf bleibt ihm aber die Frage, ob er Tomomi überhupt wirklich kannte, was von dem, das er erfährt wirklich wahr ist und nicht zuletzt die Frage: Ist Tomomi Ishikawa wirklich tot?






Eins vorweg: Für dieses Buch muss man in der richtigen Stimmung sein. Woran man die richtige Stimmung erkennt? Man muss Lust auf etwas Außergewöhnliches haben, bereit sein, ein kleines Abenteuer zu erleben und hier und da auch selbst mal miträtseln wollen. Wenn ihr in dieser Stimmung seid, dann verspreche ich euch, dass dieses Buch euch auf eine Reise mitnehmen und bis zum Ende Rätsel aufgeben wird, die euch fesseln werden!

Allem voran geht natürlich die Frage, wer Tomomi Ishikawa eigentlich war, und ob sie wirklich tot ist. Um dem auf den Grund zu gehen, macht sich der Leser zusammen mit Benjamin Constable auf eine Schnitzeljagd, die erst durch Paris und später dann durch New York führt. Immer wieder gibt es kleine Enthüllungen um Tomomi und man weiß nie, was davon nun wahr und was erfunden ist. Man erfährt aber auch sehr viel über die beiden Städte und die anschaulichen und interessanten Beschreibungen einzelner Orte weckten in mir sofort die Reiselust. Dass der Hauptcharakter dabei gehörig einen an der Waffel hat und beispielsweise immer eine unsichtbare Katze um sich sieht, macht die Geschichte noch amüsanter und gleichzeitig spannender. Denn man kann nie genau sagen, was ihm als Nächstes einfällt oder was er wohl machen wird.

Besonders fasziniert hat mich aber der Schreibstil, denn Benjamin Constable beschreibt die Orte so klar und doch wunderschön, dass man sie direkt vor Augen hat. Gleichzeitig empfand ich die Beschreibungen aber auch nicht als zu lang. Immer wieder eingestreute kleine Wortspiele und ein einzigartig schräger Humor geben dann das Tüpfelchen auf dem i. Ich bin ein Fan von dem Schreibstil, der zwar die Worte wie Skulpturen formt, und alles genau auf den Punkt bringt, aber gleichzeitig doch nie gekünstelt oder hochtrabend klingt. Es ist einfach ein Genuss, so etwas zu lesen. 

Man bekommt hier kein geradeaus erzähltes Drama oder einen Krimi, in dem man den Mörder finden muss, und doch ist ein bisschen von beidem vorhanden. Ich könnte das Buch auch keinem bestimmten Genre zuordnen, weiß aber ganz sicher, dass es kein Jugendbuch ist (auch wenn es bei Verlag script5 erschienen ist, der ja sonst fast nur Jugendbücher rausbringt). Meine klare Leseempfehlung geht also an die Leser, die eine außergewöhnliche Geschichte suchen und auch mit etwas schrägem, aber untergründigem Humor umgehen können.


Verlag: Script5
Seiten: 383
ISBN: 978-3839001578
Preis: 18,95€ (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 16. September 2013

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Donnerstag, 10. Oktober 2013

Neal Shusterman - "Vollendet 2 - Der Aufstand"
























Seit den Ereignissen des ersten Bandes ist einige Zeit vergangen und vieles hat sich für Connor, Risa und Lev verändert. Doch nicht nur diese drei stehen hier im Mittelpunkt. Neue Personen rücken mit ins Blickfeld: Starkey, der starke Außenseiter, der gerne die Macht an sich reißen will, Miracolina, für die es nichts höheres gibt, als ihr Schicksal als Zehntopfer zu erfüllen und vor allem Cam, der einzige seiner Art, erschaffen aus den besten Teilen anderer Wandler. Viele Wege kreuzen sich, viele beeinflussen sich und das Schicksal spielt jedem einen anderen Werdegang zu.






Ich war schon vom ersten Band der „Vollendet“-Reihe begeistert und fasziniert, von den vielen Verschiedenen Handlungssträngen, die sich irgendwann zu einem Gewebe zusammenfügen. Auch in diesem zweiten Band wurde das System beibehalten und sogar noch erweitert und so erfährt man nicht nur, wie es mit den drei Jugendlichen aus dem ersten Teil weiter geht, sondern lernt auch neue Personen kennen. Jeder von ihnen ist einzigartig und hat seine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Für viel Abwechslung und spannende Wendungen ist somit gesorgt und doch wirkt es nie oberflächlich.

Anfangs dauert es eine Weile, bis man die alten Charaktere wiedertrifft, was erstmal seltsam ist, aber die neu eingeführten Charaktere sind so interessant, dass man trotzdem gefesselt ist. Ich fragte mich natürlich schon ein wenig, ob es denn nun unbedingt drei neue Hauptcharaktere geben muss, aber ich merkte schnell, dass sich damit ganz neue Möglichkeiten ergeben und nur so neue Blickwinkel gezeigt werden konnten. Es ist zwar später interessant, Connor, Risa und Lev wiederzutreffen und mehr von ihnen zu erfahren. Aber im Endeffekt war ihre Geschichte so ziemlich fertig erzählt und nur durch die neuen Hauptpersonen kam wieder Schwung in die Geschichte.

Am meisten hat mich dabei wohl Cam fasziniert, der aus den Einzelteilen verschiedener Wandler konstruiert wurde und somit viele moralische Fragen aufwirft. Aber auch Starkey, der im Laufe der Geschichte immer gewalttätiger wird, lässt die Gedanken des Lesers kreisen. Immer wieder denkt man darüber nach, was moralisch richtig und vertretbar ist und mit jedem einzelnen Charakter schwankt man zwischen anderen Extremen.

Auch der zweite Teil der Trilogie konnte mich also hundertprozentig überzeugen und ich bin jetzt schon gespannt auf den abschließenden dritten Teil.


Seiten: 544
ISBN: 978-3737367189
Preis: 16,99€ (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 22. August 2013

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Dienstag, 8. Oktober 2013

Sarah N. Harvey - "Arthur - oder Wie ich lernte, den T-Bird zu fahren"


























Arthur ist alt. Also so richtig alt und gebrechlich, doch sein Mundwerk funktioniert wie eh und je und schleudert den angeheuerten Pflegekräften eine Beleidigung nach der anderen entgegen, sodass es keine lange aushält. Um den grantigen Alten nicht mit ins eigene Haus holen zu müssen, bietet die Mutter von Royce ihm an, sich für ein angemessenes Gehalt die Ferien über um seinen Großvater zu kümmern. Vom Geld gelockt sagt der 16jährige Royce zu und kümmert sich um seinen schrulligen, ihm bisher unbekannten Großvater. Royce wächst mit seiner Aufgabe, arrangiert sich mit Arthurs Lebensstil und darf sogar seinen alten T-Bird fahren. Er lernt aber auch, dass sich unter der harten Schale des alten Mannes eine abwechslungsreiche Lebensgeschichte verbirgt …







„Arthur – oder wie ich lernte, den T-Bird zu fahren“ ist ein großartiges Buch. Eigentlich hatte ich keine sonderlich hohen Erwartungen an die Geschichte. Ich rechnete mit lustigen, schrulligen Episoden des Zusammenlebens von zwei ganz unterschiedlichen Generationen, aber mit mehr eigentlich nicht. Lustige Unterhaltung für zwischendurch und mehr nicht. Hinter der spaßigen Fassade verbirgt sich aber eine absolut gefühlvolle Geschichte mit Tiefgang, die aber auch nicht ermahnend oder kitschig wird. 

Was mich am meisten überzeugte, war der außergewöhnliche Schreibstil. Die Autorin schreibt treffsicher, mit einem tollen Händchen für Situationskomik, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Oft musste ich nicht wegen der Situation selbst schmunzeln, sondern eher wegen der sprachlichen Umschreibung und dem dadurch entstehenden Kopfkino. Die einzelnen Szenen werden dabei kurz und knackig erzählt, sodass mehrere Monate auf den knapp über 200 Seiten dicht zusammenrücken. 

 Ebenso haben mich die Charaktere überzeugt. Arthur ist der grummelige Alte, der zwar auch seine weichen Momente hat, aber am Ende doch noch undurchsichtig bleibt. Viele Jahre hat er hinter sich und man merkt ihm an, wie das Leben und auch seine Krankheit seine Spuren hinterlassen haben, ohne dass man aber alles über ihn weiß. Man kann oft nur vermuten, was ihn so werden ließ, wird teilweise aber auch aufgeklärt. Royce hingegen hat mich positiv überrascht. Klischeemäßig hätte er eigentlich ein aufsässiger, stinkend fauler Jugendlicher sein müssen, der durch die Arbeit bei dem Alten geläutert wird und plötzlich seinen Sinn im Leben findet. Aber so ist es nicht. Er ist ein durchschnittlicher Jugendlicher, der die Arbeit bei Arthur freiwillig annimmt und auch verantwortungsvoll erledigt – aber er ist auch durchschnittlich faul und fängt nicht auf einmal an, das ganze Haus zu putzen oder ähnliches. Er wird nicht mittendrin in irgendeiner Form geläutert. Er ist durchweg normal, aber verfügt über einen gewissen Sarkasmus, was seine Sicht der Dinge sehr lesenswert macht. 

Nach dem Äußeren geurteilt hätte ich nicht mit einem Roman gerechnet, der mich so berührt. Gerade die klare Sprache und die Alltäglichkeit der meisten Situationen schaffen es, Lebensnähe zu vermitteln und den Leser direkt zu berühren. Für mich war dieses Buch definitiv eine positive Überraschung und ich werde es wohl noch einige Male weiterempfehlen. 



Verlag: DTV
Seiten: 240
ISBN: 978-3423650014
Preis: 13,95 € (Taschenbuch)
Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2013

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